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30 Jahre Mauerfall

Vom Verschwinden der DDR und der Sorge um die Demokratie

Bodenplatte aus Metall

Gedenkstein am früheren Verlauf der Berliner Mauer.

30 Jahre nach dem bejubelten Fall der Mauer fällt der Blick auf den Zustand der Demokratie in Deutschland ernüchternd aus. Demokratieforscher suchen nach Ursachen, warum im Osten die politische Demokratie in eine Vertrauenskrise geraten ist. Die evangelische Kirche möchte die demokratische Kultur in Deutschland stärken und eine Ausstellung in Frankfurt beleuchtet, dass es bereits kurz nach der Wende rassistische Übergriffe gegeben hat.

Für ihren Report Ungleiches Deutschland: Sozioökonomischer Disparitätenbericht 2019 untersuchte das Dortmunder Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung in allen 402 Landkreisen und Städten Deutschlands die sozialen und wirtschaftlichen Lebenslagen.

Die „solide Mitte liegt im Westen“

Die „solide Mitte“ bilden laut dem Bericht vor allem Kreise und Städte in ländlichen Gebieten Westdeutschlands. Diese Regionen zählen 32,8 Millionen Einwohner und hier ist für die Menschen alles weitgehend stabil: Einkommen, Lebenserwartung und Infrastruktur liegen gut im Bundesdurchschnitt.

Es gibt allerdings auch die sogenannten  „ländlichen Regionen in dauerhafter Strukturkrise“. Diese liegen vor allem in Ostdeutschland, 8,1 Millionen Menschen leben in diesen Regionen. Dieser Raumtyp ist es, der die gängige Vorstellung vom armen Osten und reichen Westen prägt. Die Situation dieser „ländlichen Regionen in dauerhafter Strukturkrise“ zeichnet sich aus durch schlechte Erwerbsmöglichkeiten und niedrige Bruttoeinkommen. Das  treibt die Bevölkerung in die Flucht, die Einwohnerzahlen schrumpfen.

Vertrauen in die Demokratie im Osten geringer

Diejenigen, die viel Ungleichheit empfinden, sind auch unzufriedener mit unserer  Demokratie. Besonders sozial schlechter Gestellte haben wenig Vertrauen in Staat und Politik.

Weniger als die Hälfte der Befragten ist mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden. In Ostdeutschland ist es nur etwas mehr als ein Drittel. Auch die Wahlbeteiligung liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Das fanden die Autorinnen und Autoren der Studie Vertrauen in Demokratie. Wie zufrieden sind die Menschen in Deutschland mit Regierung, Staat und Politik? heraus. Die Studie wurde im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung 2019 erstellt.

Die Autoren geben auch Vorschläge, wie das Vertrauen in die Demokratie wieder gestärkt werden könnte. Diese reichen von Reform des Wahlrechts über steuerpolitische Maßnahmen bis hin zur Forderung nach einer aktiveren Wohnungsbaupolitik.

Das Miteinander durch Zuwanderung stärken

Um die „Verliererregionen im Osten“ wieder zu stärken, hat Christian Bangel in einem Kommentar der "Zeit" (27. Oktober 2019) konkrete Vorschläge zur Hand: „Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung. Massiv und am besten ab sofort. Zuwanderung aus dem Westen, Binnenzuwanderung aus den großen Städten in die ländlichen Räume, und ja, auch gezielte Migration aus dem Ausland. Nur so gibt es auch in bisherigen Verliererregionen die Chance, stabile wirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Und nur dann ist es möglich, dass auch dort ein Miteinander von Generationen, Milieus und Hautfarben entsteht (…)“

Religiöse Menschen sind überwiegend überzeugte Demokraten

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steht mit vielen anderen in Deutschland für eine auf der unverlierbaren Würde jedes Menschen gründende, offene, tolerante und gerechte Gesellschaft.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel „Weltanschauliche Vielfalt und Demokratie” hält die große Mehrheit von 89 Prozent der Bevölkerung - über alle Religionen hinweg - die Demokratie in Deutschland für eine gute Regierungsform. So sprechen sich beispielsweise 93 Prozent der Christen und 91 Prozent der Muslime für die Demokratie aus.

Die EKD arbeitet gegen rechtspopulistische, rechtsextreme, rassistische, minderheitenfeindliche und völkisch-nationalistische Einstellungen. Die Website www.ekd.de/kirche-gegen-rechtspopulismus-und-rechtsextremismus-49866.htm bietet eine Zusammenstellung von kirchlichen Texten zum Thema Rechtspopulismus und Rechtsextremismus sowie Theologische Positionen.

Die EKHN hat im Januar 2019 eine Orientierungshilfe zum Umgang mit Rechtspopulismus veröffentlicht. Die kompakte Handreichung enthält eine Einführung in das Wesen des Populismus, zeichnet theologische Leitlinien auf und gibt kirchenrechtliche Tipps zur praktischen Auseinandersetzung. Das Papier soll vor allem Kirchenvorstände bei ihrer Arbeit unterstützen.

Download der Handreichung und viele weitere Informationen auf: unsere.ekhn.de/demokratie

Ein protestantischer Aufruf zur Stärkung der Demokratie

„Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Für die Demokratie müssen wir uns engagieren“, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Er unterstützt die Mitmach-Aktion Dein Glaube – deine Demokratie.

In sieben knappen Thesen ruft die Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend zur Stärkung der Demokratie auf. Zum Beispiel in der ersten These: 

Glaube ist keine Sache zwischen Couch und Kirchenbank. Es ist vielmehr ‘eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade […]‘, die „fröhlich, mutig und voll Lust zu Gott und allen Geschöpfen“ macht (Luther). Darum: Engagier Dich für unsere Demokratie. Es ist an der Zeit!

In einer Mitmachaktion können Jugendliche eigene Demokratie-Thesen gestalten und online stellen.

Onlinekurs: Politische Teilhabe im Netz

Politisch Interessierte, die sich mit den Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung für eine demokratische Gesellschaft auseinandersetzen wollen, können dies in einem kostenlosen Online-Kurs des Zentrums Bildung der EKHN noch bis Ende November 2019 tun. Vier Menschen stellen ihre Erfahrungen mit politischer Teilhabe und den Möglichkeiten des digitalen Netzes vor. Die Teilnehmenden am MOOC (Massive Open Online Course) erhalten Informationen und Impulse. Es geht darum neues Wissen zu erwerben, den Umgang mit digitalen Medien zu erproben und sich mit den Expert*innen und anderen im Netz auszutauschen.

Los ging es bereits am 4. November mit dem Thema Zivilgesellschaftliches Engagement. Die Kursteile können auch einzeln online besucht werden. In der zweiten Woche geht es um Bürger*innenbeteiligung im Netz und Open Government.  Gibt es dadurch mehr Teilhabechancen, wird Demokratie lebendiger? Die dritte Woche wird das Thema Populismus anschaulich machen. Manuel Gogos hat als Filmemacher für ARTE zwei Beiträge recherchiert, die sehr eindrücklich Einblicke in die Strategien und Netzwerke der „Neuen Rechten“ geben. Den Abschluss macht die Journalistin Kübra Gümüşay. Sie hat als eine der Mitbegründerinnen der Hashtags „#SchauHin“ und „#ausnahmslos“ deutlich Position bezogen gegen Rassismus und Sexismus und damit Zivilcourage bewiesen. Sie hat aber dabei auch erfahren müssen, was es bedeutet, Anfeindungen und Hass im Netz ausgeliefert zu sein.

Infos und Anmeldung

Ausstellung: Erfahrungen von Juden und Migranten nach dem Mauerfall

Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main setzt sich in einer Sonderausstellung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls mit Erfahrungen und Perspektiven von Schwarzen Menschen und People of Color, Juden und Migranten auseinander. Die Sorgen der Menschen von damals seien mit Blick auf den Zuwachs von Antisemitismus heute nicht ganz unberechtigt gewesen, sagte Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank.
Mit Fotos, Dokumenten und Interviewsequenzen spürt die Ausstellung „Anderen wurde es schwindelig. 1989/90: Schwarz, jüdisch, migrantisch“ vom 6. November bis 3. Mai 2020 Erinnerungen nach, die in vielen Wende-Erzählungen ausgelassen Werden. Während die meisten den Fall der Berliner Mauer bejubelten, kamen in migrantischen, schwarzen und jüdischen Communities Ängste auf, denn rassistische Anfeindungen und körperliche Übergriffe hätten den Einheitsprozess begleitet, erklärte Robin Koss, einer der Kuratoren.

Neben Führungen und Workshops für Jugendliche sowie Fortbildungen für Lehrkräfte gibt es ein Begleitprogramm zur Ausstellung.

Am 9. November liest Manja Präkels aus ihrem Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“. Darin erzählt die Autorin vom Verschwinden der DDR und rechter Gewalt in einem brandenburgischen Kleinstadtidyll.

Infos und Programm der Ausstellung


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