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Theologie der Innovation

Wie Kirchen die digitale Revolution gestalten

Das Smartphone ist zum Symbol für die Digitalisierung des Lebens geworden

Das Smartphone ist zum Symbol für die Digitalisierung des Lebens geworden

„Wir brauchen den Willen, die digitale Veränderung gestalten zu wollen, sonst gestaltet sie uns“, sagte Kirchenpräsident Volker Jung auf der Frühjahrssynode 2018 der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Überall in den Kirchen wird jetzt beraten, wie die Kirchen den Anschluss an die digitale Welt finden und halten sollten. So auch auf einer Tagung des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Fulda. Der hatte verschiedene Startups eingeladen.

Paul Wilhelm von Preußen ist gerade mal 22 Jahre alt und berät die Commerzbank, wie sie ein digitales Unternehmen werden kann. „Es geht nicht um das Alter, sondern um die Einstellung zur digitalen Welt“, sagt der junge Mann. Er stellt die Hierarchie auf den Kopf und bittet die jungen Mitarbeiter den Vorständen zu sagen, wie der eigene Arbeitsbereich besser laufen kann. Denn „Digital Natives“, die schon mit dem Handy aufgewachsen sind, könnten den „Digital Immigrants“, die das Digitale erst später erlernen mussten, viel beibringen. 

Evangelische Landeskirchen setzen auf Digitalisierung

Solche Einsichten verbreiten sich auch in den Kirchen. So treibt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) jetzt das Projekt „Kirche im digitalen Wandel“ voran. Projektkoordinator Christian Sterzik lobt „die jungen Leute, die aus eigenem Antrieb für digitales Wachstum sorgen“. Vor kurzem war er noch IT-Leiter in einer Bank, jetzt sieht er in der Kirche aber auch 60-Jährige „die digital mitmachen“. Er weiß allerdings auch, dass das Analoge immer bleiben wird.

Mehrere evangelische Landeskirchen arbeiten inzwischen gemeinsam daran, die digitale Vernetzung in ihren Kirchen voranzubringen. Dabei bedenken sie ethische und  theologische Fragen. Sie beschäftigen sich mit Kommunikation und Kultur und sie arbeiten daran, die Prozesse in der kirchlichen Organisation zu optimieren. Bis zum Sommer 2018 sollen  zunächst alle digitalen kirchlichen Angebote erfasst und „ kartographiert“ werden. Danach soll ein Strukturierungsvorschlag erarbeitet werden.

Die Digitalisierung muss gestaltet werden

Während die Beratungen auf EKD-Ebene begonnen haben, hat die Digitalisierung kirchlichen Lebens längst begonnen. In der EKHN zählen interaktive Gottesdienste mit der Kommunikationssoftware sublan.tv inzwischen zur Routine. Dort denken die Planer schon über Anwendungen für Amazons Alexa nach, die die digitale Assistentin auch Antworten auf Fragen zum Segen oder zur Konfirmation geben lässt. Es geht also längst auch um künstliche Intelligenz.

Auch für den Kasseler Bischof Martin Hein ist es „nicht die Frage, ob wir uns der Digitalisierung stellen, sondern wie wir es tun“. Klar ist für Hein aber auch, dass die Kirchen „neue Formen von Transparenz und Partizipation entwickeln müssen“. Wie man ein solches Thema am besten anpackt, ist allerdings unter den Fachleuten umstritten. Denn beim Thema Digitalisierung kommt ein sehr breites Feld von Experten infrage, angefangen bei den Digital Natives über Startups und Informatikern, Verwaltungsfachleuten bis zu den Theologen. Bischof Heins Frage „wie wir es tun“ ist die entscheidende Frage. 

Junge Startups setzen auf den Spieltrieb der Menschen

Amin Josua aus Heidelberg will Junge Leute mit einem Video- Computerspiel dazu bewegen, das Evangelium kennen zu lernen. 28 Millionen Deutsche würden regelmäßig spielen, aber nur die wenigsten besuchten einen Gottesdienst. „Jugendliche würden biblische Inhalte zocken,“ meint der Theologiestudent, aber es gäbe kein richtiges Bibel-Game. Das Evangelium als HQ 3D Rolerplaygame im „hermeneutischen Game-Design“ entwickelt Josua mit Unterstützung der Württembergischen Landeskirche. Eine erste Anmutung zeigt er im Internet: www.1of500.de

Die hat das Thema der Digitalisierung schon relativ früh auf die Agenda gesetzt. Die Württemberger haben eine Arbeitsgruppe mit 2 Millionen Euro ausgestattet, um kirchliche engagierte Startups wie Amin Josua unbürokratisch zu unterstützen. „Wenn wir das Thema Digitalisierung in unseren kirchlichen Verwaltungsgängen bearbeiten, dann sind wir zu langsam“, sagt Projektleiter Stefan Werner. Digitalisierung sei für ihn alles, nur kein technisches Thema. Er will „von der Silostruktur zur vernetzten Kirche“ kommen. Verordnen nütze in der Kirche nichts, und ermutigen reiche nicht aus. Deshalb ist er mit seiner Abteilung der unbürokratischen Entscheidung gestartet: „Wir können es uns nicht leisten, eine ganze Generation zu verlieren.“

Evangelische Unternehmer denken mit

Zusammen mit anderen Startups konnte Amin Josua sein biblisches Spielprojekt „One oft the 500“ zusammen mit anderen Startups auf einer Tagung des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) am 28. April 2018 in Fulda vorstellen. Die Evangelischen Unternehmer sind in ihren Unternehmen selbst dabei, die digitale Revolution zu gestalten. Friedhelm Wachs, der stellvertretende Vorsitzende des deutschlandweit agierenden Vereins, will die Erfahrungen, die er und seine Kollegen in der eigenen Unternehmenstätigkeit sammeln, an die Kirche weitergeben. Auf die Frage, wo die evangelische Kirche beim Thema Digitalisierung stehe, antwortet Wachs: „Wir sind am frühen Tagesbeginn.“ Die Gesellschaft stehe bei 5 Uhr und in der Kirche sei es halb drei. 

Ethische Diskussion um die Digitalisierung

Nikolaus Blum von der Bayerischen Landeskirche sieht sehr genau, dass die Kirche selbst von der Digitalisierung betroffen ist. Gesellschaftliche Veränderungen wie die Digitalisierung veränderten die Menschen. In der postmodernen Gesellschaft kartiere jeder sein Leben selbst. Das Pauschalangebot früherer Zeiten reiche nicht mehr. Die Menschen möchten „individuell an Kirche und deren Mitarbeiter herankommen“, sagte der Oberkirchenrat aus München. 

Einig war Blum sich mit den anderen Referenten, dass es einen ethischen Dialog in der Kirche geben müsse, denn Innovationen seien nicht immer sofort einzuordnen. So forderte der Theologe Klaus Tanner eine ethische Ausbildung für Informatiker. Denn mit der Digitalisierung veränderten sich vertraute Unterscheidungen wie zwischen privat und öffentlich. Die mediale Öffentlichkeit verändere die Demokratie und das Zeit-Raumgefühl werde teilweise aufgehoben. Dies alles gründlich zu diskutieren sei notwendig. In der Ethik könne man aber nie vollkommene Gewissheit haben. Denn „die Ethik dient nicht dazu, den Menschen die Verantwortung abzunehmen.“

Technikfolgenabschätzung in den Prozess integrieren

Mit solchen Aussagen wird klar: Die ethische Diskussion endet nie. Deshalb schlug auch Tilo Böhmann vor, „nicht nur zum Beobachter, sondern zum Mitgestalter der Digitalisierung zu werden“.  Es sei besser, die Technikfolgenabschätzung in den Prozess zu integrieren und nicht langwierig mit offenem Ausgang vorab zu diskutieren. „Man muss Risiken eingehen,“ meinte der Hamburger Informatikprofessor. Das mache demütig. „Was trägt mich, wenn es nicht klappt?“ Das verrückteste Startup der letzten 2000 Jahre sei gewesen, wie die Apostel mutig ihre Sache vorangetrieben hätten, und es überhaupt nicht klar gewesen sei, wie das ausgehen könnte. „Wir brauchen eine Kultur des Experimentierens mit solchen autonomen Teams“. Solches Denken nennt Böhmann „Theologie der Innovation“.


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