Premiere und Werkeinführung
Welt-Uraufführung: Luthers dunkle Seite im „Spiegel der Angst“
Notenskizze aus "Im Spiegel der Angst"
Es wird ein packendes musikalisches Ereignis, wenn am kommenden Samstag in Mainz ein zeitgenössisches Oratorium über den großen Reformator Martin Luther (1483-1546) seine Premiere hat. Der Bachchor Mainz wird am 20. Oktober um 19.30 Uhr in der Christuskirche mit Solisten und einem Orchester „Im Spiegel der Angst“ von Gerhard Müller-Hornbach uraufführen. Das Stück entstand als Auftragskomposition der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zum 500. Jahrestag der Reformation. Die 40 Chorsängerinnen und Chorsänger unter der Leitung von Ralf Otto werden dabei von zwei Dutzend Instrumentalisten des Frankfurter Mutare-Ensembles unterstützt. Streicher, Bläser, Gitarre, Akkordeon und Schlagzeug werden bei dem achtstimmigen Werk zum Einsatz kommen.
Hochumstrittene Aussagen
Eineinhalb Jahre lang hat Müller-Hornbach an der beeindruckenden Collage aus Texten und Klängen gearbeitet. Das Stück ist Komposition und Inszenierung eines sprachlichen Dialogs zugleich. Der emeritierte Musikprofessor verwebt dabei Zitate aus der Antike mit Texten von Luther und aktueller Literatur zu einem einzigartigen Geflecht. Dabei blickt der Frankfurter Komponist auch kritisch auf Luthers düstere Seite und seine bis heute hochumstrittenen Aussagen gegenüber Andersgläubigen. Sie waren unter anderem geprägt von der furchtbesetzten Vorstellung, im Kampf gegen das osmanische Reich würde sich ein drohendes Ende der Welt ankündigen.
Von Bibel bis Bachmann
Bei seiner Auseinandersetzung mit Luther stieß Müller Hornbach auf die Angst als Leitmotiv im Denken des Reformators. Nun will der Komponist bewusst Luthers Erfahrungshorizont einer Vielfalt von Sichtweisen aus ganz anderen historischen und kulturellen Zusammenhängen „als spiegelndem und kommentierendem Kontrapunkt“ entgegenstellen, wie er sagt. So sind auch Texte der Bibel, des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King, des Dichters Gotthold Ephraim Lessing und von Autoren wie Erich Fried oder Ingeborg Bachmann in Musik umgesetzt.
Suche nach „Entängstigung“
Mit Müller-Hornbach können sich die Zuhörerinnen und Zuhörer so in einem vielstimmigen Raum unterschiedlichster und teilweise entgegenstehender Sichtweisen bewegen und gemeinsam auf die Suche nach „Entängstigung“ begeben. Der Komponist möchte nach eigenem Bekunden, dass die Besucherinnen und Besucher der Aufführung „in sich hineinhören und sich fragen, wo Angst und Entängstigung bei ihnen und in ihrem Handeln wirken". Er lässt damit das ungemein aktuelle Thema einer Gesellschaft auf der Suche nach Sicherheit und Orientierung anklingen. Müller-Hornbach: „Wenn Zuhörer hellhörig werden und Anstöße mitnehmen, ist es ein Erfolg.“
Dialog stärker befördern
Nach Ansicht der in der hessen-nassauischen Kirche für das Projekt zuständigen Dezernentin Melanie Beiner thematisiert Hornbachs Musik das „Getriebensein Luthers und sein Leben zwischen den Mächten, die über die irdische Welt hinausgehen“. Dies habe Auswirkungen auf das Seelenleben des Reformators gehabt, das „zwischen Angst und Mut, zwischen Zweifel und Gewissheit schwankte“. Mit Blick auf die in der Komposition auch genutzten düsteren Aussagen Luthers bleibe am Ende „der Dialog der Weg, um den bis heute äußerst erschreckenden und ganz und gar nicht mit unserem Verständnis von Glauben und einem an Menschenwürde orientierten Miteinander zu vereinbarenden Äußerungen Luthers über andere Religionen oder Nationen zu begegnen“.
Werkeinführung am Vorabend
Schon am Vorabend der Premiere wird es in der Mainzer Christuskirche eine Werkeinführung mit musikalischen Kostproben und prominenter Besetzung geben. Am 19. Oktober um 19 Uhr stellen sich auf Einladung der Evangelische Akademie unter anderem der Schriftsteller Feridun Zaimoglu („Kanak Sprak“, „Evangelio“), der renommierte Angstforscher Borwin Bandelow und die evangelische Theologin Christiane Tietz dem Thema Angst. Der Eintritt ist frei.
Der Komponist Müller-Hornbach über sein Werk „Im Spiegel der Angst“:
„Der Begriff ,Entängstigung', den auch der ehemalige Bundespräsident Gauck in seiner Rede beim Festakt zum Reformationstag 2016 aufgegriffen hatte, war für mich ein initialer Impuls beim Finden einer Thematik für meine Komposition. Luther in seiner historischen Bedeutung, aber auch exemplarisch als Mensch unter dem Fokus seines Umgangs mit Angst in den Blick zu nehmen, scheint mir nicht nur von zeitloser Relevanz zu sein, vielmehr hat das Thema gerade in unserer heutigen Situation eine ungemein brisante Aktualität. Wie Ängste unser Verhalten immer wieder verengen, uns entmutigen und der Offenheit und Toleranz berauben, erleben wir tagtäglich. Andererseits gibt es auch immer wieder Mut machende Beispiele dafür, wie die Überwindung von Angst befreien, innere und äußere Grenzen überwinden und Erstarrungen lösen kann. Um die damit verbundenen emotionalen Prozesse in ihrer Komplexität und Ambivalenz erfahrbar zu machen, scheint mir die Musik das geeignete Medium zu sein.“
Mehr Informationen und Tickets Karten für die Uraufführung am 20. Oktober um 19.30 Uhr in der Christuskirche Mainz (Kaiserstraße) sind hier erhältlich:
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Telefon 0700 / 22 24 24 67
E-Mail: kartenverkauf@bachchormainz.de
Internet: http://www.ztix.de/event.php/101082/
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